Zivilcouragepreis 2010 für Judith Butler: Laudatio von Renate Künast


Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Queer-Community!

Der Zivilcouragepreis 2010 geht an die Philosophin Professor Dr. Judith Butler, herzlichen Glückwunsch!

Da sind all deine Fans, die deine Bücher gelesen haben, ich hör es. Judith Butler schafft eines, sie stellt so ziemlich alles infrage, sie stellt Normen und Regeln infrage. Sie stellt infrage, was eigentlich normal ist, wer es definiert. Judith Butler sprengt alte Denkmuster aber sie räumt ja nicht nur in alten Schubladen auf, sondern sie stellt auch alle und sämtliche Geschlechter-kategorie an sich infrage. Was ich faszinierend finde ist, sie tut das alles so zielgenau als sei sie eine Chirurgin. Mit feinem Besteck seziert sie alles. Wer ihr eine Frage stellt, kriegt die Frage auch gleich seziert, weil Judith Butler feststellt, dass schon die Fragestellung in alten Kategorien und Denkmustern ist.

Ich finde - ihr wisst was ich meine - ich finde faszinierend, wie sie mit den Denkräumen aufräumt und wie sie mit ihrer entwaffnenden, argumentativen Art junge Menschen, Studentinnen und Studenten richtig begeistert. Und deshalb bin ich auch froh, hier ein paar Worte zu ihr sprechen zu dürfen.

Judith lehrt uns eines: Es gibt im Leben eines Menschen noch mehr als entweder Mann oder Frau zu sein, oder Homo oder Hetero, oder Transgender - vollkommen egal. Es geht im Leben um die Frage: Das wir alle Vielfalt in uns selber und in unserer Gesellschaft anerkennen. Und der erste Punkt dafür ist, dass wir zeigen wieviel Vielfalt es in dieser Gesellschaft gibt. Und genau das zeigt ihr heute hier mit eurer Anwesenheit. Weil sonst, sonst könnte sie als Philosophin ja kaum argumentieren, wenn es diese Bilder nicht gäbe.

Queer sein bedeutet für Judith Butler frei sein. Frei von festgefügten Rollen, ihnen nicht entsprechen zu müssen. Was ich faszinierend finde, dass sie sagt: Es gibt keinen richtigen Hetero. Es gibt auch nicht die richtige Lesbe. Sie sagt einfach an der Stelle, die Frage ist vollkommen offen wer wir sind und wer jeder und jede von uns noch werden kann. Und das finde ich faszinierend.

Judith Butler hat diesen Preis verdient, weil das was sie denkt, eigentlich normal sein sollte. Normal ist eben anders. Ich könnte auch sagen, wir sind eben anders normal - wer auch ein Thema; vielleicht fürs nächste Jahr.

Liebe Judith, die andere Denkweise die du anmahnst, darauf will ich noch verweisen. Weil Judith denkt nicht nur darin, Rollenmuster aufzuräumen, sondern sie sagt uns auch: Wir müssen lernen in Bündnissen und Koalitionen zu denken, damit wir diese Gesellschaft verändern. Und dazu möchte ich uns auffordern. Im Bündnissen und Koalitionen denken, weil niemand darf wegen seiner sexuellen Identität benachteiligt werden, niemand darf Gewalt erfahren. Das werden wir nicht akzeptieren, nicht hier und auch nicht irgendwoanders auf dieser Welt. Also lasst uns Bündnisse schließen, nicht nur dann wenn heute und hier der CSD ist. Wir demonstrieren hier gemeinsam und zeigen, dass uns die alten hergebrachten Rollenmuster vollkommen egal sind, egal ob lesbisch, schwul, hetero, bi, Mann, Frau, intersexuell oder transgender. Es geht um eines, dass wir das Leben, die Art und Weise des Lebens jedes Menschen anerkennen. Das wir für seine gleichen Rechte kämpfen, für seine persönliche Freiheit.

Und deshalb kann ich nur sagen, liebe Judith, du hast Identität und Geschlecht zum Gegenstand akademischer Forschung gemacht. Na endlich, da gehörte es auch hin! Da wo früher sozusagen der Muff von 1000 Jahren unter den Altaren war, da wo früher nur männliche Professoren den Gegenstand von Wissenschaft und Forschung bestimmt haben. DA gehören das Geschlecht und die Identität hin. Und ich freu mich und sag mal: Dankeschön, dass du dieses Thema in den wissenschaftlichen Diskurs gebracht hast.

Liebe Judith, herzlichen Glückwunsch zu Zivilcouragepreis 2010. Du hast ihn mehr als verdient.



Transkript der Laudatio von Renate Künast, gehalten am 19. Juni 2010.